Bi-Wiring und Bi-Amping

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Robodoc
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Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von Robodoc »

Ein bisschen bi schadet nie.

Aber nutzt es was?
Dieser Frage sollten wir mal auf den Grund gehen.
In einem Kopfhörerforum sollte man natürlich darauf hinweisen, dass es sich hier um ein Lautsprecher-Thema geht, speziell um solche Lautsprecher, die ein Anschlussterminal mit 4 Kontakten haben. Sowas (Bild aus dem Netz):

Bild

Ohne die im Bíld eingebaute Brücke kann man zwei getrennte Lautsprecherleitungen für einerseits den Tiefton- und andererseits den Mittel-Hochton-Zweig des Lautsprechers anschließen. Anstelle des (gewöhnlichen) Single Wiring kann man dann beide Zweige bis zum Verstärker verdrahten. Dieses Bi-Wiring wird hier verdeutlicht, in Abgrenzung zu einer normalen Verkabelung (Bild aus Wikipedia):

Bild

Mich treibt die Frage um, ob das schon mal einer gemacht hat und von Erfahrung berichten kann. Als Ingenieur der Elektrotechnik kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass es einen Vorteil bringt, die Kurzschlußstelle von den Brücken am Anschlußterminal des Lautsprechers in Richtung des Verstärkers zu verlegen. Aber vielleicht habe ich was nicht verstanden ... oder der Vorteil liegt in dem doppelten Kabelquerschnitt, keine Ahnung. Daher die Frage.

Ein anderes Konzept ist das Bi-Amping. Jetzt wird jeder Zweig des Lautsprechers von einem eigenen Verstärker betrieben, ebenfalls mit doppelter Verkabelung. Hierfür werden also zwei Stereo Verstärker gebraucht, die entsprechend dem nachfolgenden Bild (ebenfalls im Internet gefunden) verdrahtet werden:

Bild

Alternativ kann man auch vier Monoblöcke hernehmen.

Hier würde ich tatsächlich gerne Erfahrungsberichte einsammeln.
Hat jemand Ideen, Anregungen, Erfahrungen?

Ich selbst werde in den nächsten Wochen ebenfalls Experimente dazu machen. Wie in einem anderen Thread berichtet, betreibe ich meine Dali Lautsprecher im Hörraum momentan mit einem Pioneer A-30 K aus den 10er Jahren. Das ist als Notlösung gestartet, weil der eigentlich vorgesehene Verstärker (ein Dickschiff-Bolide aus den 80ern) aktuell nicht funktioniert und erst eine Reparatur braucht. Interessanterweise läuft der kleine Pio besser als gedacht an den Lautsprechern, so dass ich die Idee hatte, für Bi-irgendwie einen zweiten zu besorgen, der ist mittlerweile im Zulauf. Als Vorverstärker habe ich meinen Meier Corda SOUL eingesetzt, der auch dafür eingesetzt werden kann. Digitaler Zuspieler ist der Volumio Primo, Quellen sind meine Vinylrips von der Festplatte oder Qobuz.

Dieter Mallach wird mir nach Weihnachten eine MalValve Stereo-Endstufe zur Verfügung stellen, damit ich eine Referenz zum Vergleichen hier habe. Natürlich erwarte ich nicht, dass so ein Pioneer auch nur annähernd mit einer Corda SOUL - MalValve Kette mithalten kann, auch nicht zwei davon, in welchem Modus auch immer. Aber interessant finde ich so einen Vergleich schon. Außerdem kann ich dann vielleicht auch abschließend beurteilen, was meine Dali Schätzchen so drauf haben.
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Thomsen
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von Thomsen »

Hm, meines Erachtens ist Bi-Wiring sinnbefreit, denn schaltungstechnisch werden die Wege ja nicht wirklich getrennt gefahren.
Wobei Bi-Wiring schon je nach Anwendungsfall Vorteile haben kann. In meinem Fall ist das mein 5.1 Lautsprechersystem, das an einem 7.1-Verstärker hängt. Die beiden Haupt-Lautsprecher sind bi-amped. So konnte ich halt die gesamten Verstärkerstufen nutzen.
Ob es wirklich hörbar besser klang, kann ich aber leider nicht mehr sagen, weil ich das Surround Set nur noch ab und an für Filme nutze.....
Zuletzt geändert von Thomsen am Sa 16. Dez 2023, 19:59, insgesamt 1-mal geändert.
oldie22
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von oldie22 »

Ja würde mich auch interessieren. Bei Bi-Wiring kann ich mir auch keinen Vorteil vorstellen.
Bei Bi-Amping denke ich mal hättest du mehr Leistung und vielleicht klingt es sauberer, weil der Verstärker nur einen Kanal bespielen muss, 'Vorteil sehen die Befürworter zudem die Verringerung von Intermodulationsverzerrungen zwischen den Zweigen'
https://de.wikipedia.org/wiki/Bi-Amping. In der englischen Version steht noch das die bei großen Anlagen Sinn macht, also Halle/ Stadion. Das könnte ich mir vorstellen, da braucht man ja dann auch eh viel Saft.
Na ja, gerne berichten.
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Robodoc
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von Robodoc »

Ich habe natürlich auch gegoogelt und Wikis gelesen. Da findet man allerlei Meinungen, aber alles ziemlich unreflektiert. Vertikales und horizontales Bi-Amping wird lustig durcheinander geworfen und viele unterscheiden passives und aktives Bi-Amping, je nach Positionierung der Weiche. Manche haben aber auch gar keinen Plan ob sie nun aktiv oder passiv unterwegs sind und manche haben noch nicht mal einen zweiten Verstärker und betreiben Bi- oder Tri- oder WasWeissIch-Amping mit dubiosen Mehrwegeverstärkern. Dann treten in den Foren oft auch Meinungsgruppen gegeneinander an, die mich irgendwie an Fraktionen in der Politik erinnern ... mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen Argumenten und ausgeprägter Unbelehrbarkeit bei gleichzeitig fragwürdiger Sachkompetenz. Um es vorsichtig zu sagen :wall:

Da kommt man inhaltlich nicht weiter. Die einen sagen "Kann nicht sein", die anderen "Aber ich höre es doch" und beide Seiten fallen anschließend gegenseitig über sich her. Bringt nix, daher muss man das wohl selbst mal ausprobieren und hier mit Leuten diskutieren, die keine vorgefertigte Meinung haben.

Ich versuche, das mal zu sortieren. Zunächst aktiv vs. passiv.
Als Ingenieur verstehe ich, warum aktives Bi-Amping Vorteile hat. Man braucht weniger Verstärkerleistung, wenn das Nutzsignal schon vor der Verstärkung getrennt wird in Bass- und Höhenkanal. Mein Ansatz oder meine Grundidee ist ja nun nicht, mehr Verstärkerleistung zu generieren. Mein Hörraum wird jetzt schon laut genug. Der Vorteil ist also nicht so meins.
Zudem ist das mit der Trennung im Signalweg leider keine pragmatische Lösung, denn man muss dazu die Lautsprecherbox aufmachen und die vorhandene Weiche ausbauen. Zudem ist die Errichtung einer Weiche im Signalweg nicht trivial, meist wird das mit Signalprozessor elektronisch realisiert. Den meisten Normalos wird das nicht ordentlich gelingen, weil sie keine Ahnung haben wie und wo genau sie trennen sollen. Und anschließend nicht messen können, mangels Equipment. Man hört sich das an ... und unter expectation bias ist man begeistert. Ein hochwertiger passiver Lautsprecher hat zudem in seiner eingebauten Weiche oft noch Sonderfunktionen integriert, Dämpfungsnetze gegen Resonanzen oder steilere Flanken als 6dB/Oktave. Sowas ist meist nicht dokumentiert, angegeben wird herstellerseitig lediglich die Trennfrequenz und selbst die stimmt oft nur so ungefähr. Alle diese ins audiophile gehenden Optimierungen seitens der Lautsprecherhersteller wären dann weg. Im Prinzip kann man aktives Bi-Amping im Hobbybereich vergessen, das ist eher was für PA-Systeme in Discos oder in Kongresshallen. Bleibt also nur die passive Variante, also die Nutzung der eingebauten Weichen im Lautsprecher.

Horizontal vs. vertikal.
Horizontales Bi-Amping macht imho keinen Sinn, wenn man identische Verstärker einsetzt. Das sage ich als Ingenieur, ohne es ausprobiert zu haben. Warum? Weil die Aufteilung der Leistung auf die Kanäle nicht einheitlich ist. Die beiden Basskanäle ziehen deutlich mehr Strom als die beiden Höhenkanäle. Ich schätze mal ein 2:1, eher noch ein 3:1 Verhältnis. Dies wissend macht es kaum Sinn, den einen Verstärker mit zwei donnernden Basskanälen zu überfordern und den anderen quasi leer laufen zu lassen mit ein bisschen Gezwitscher in den Hochtönern. Sinnvoll wäre horizontales Bi-Apming, wenn man z.B. einen feinen Röhrenverstärker für die Mitten/Höhen und einen kräftigen Transistorverstärker für den Bass einsetzt. Das ist aber nicht mein Ziel. Ich habe zweimal den gleichen Verstärker im Konzept.

Irgendwo habe ich gelesen, dass jemand im vertikalen Betrieb Bedenken hat, wenn ein Kanal (der Bass) viel zu tun hätte und der andere (die Höhen) wenig. Dieses Ungleichgewicht überfordere den Verstärker und führe in der Folge zu einer tonalen Schräglage. Viele haben dieser Meinung zugestimmt. Man war sich am Ende einig, dass nur horizontaler Betrieb geeignet sei :fpalm:
Man stelle ich einen 9.2 Verstärker vor, an den nur 7.1 Kanäle angeschlossen sind. Der arme Verstärker :wall:
Solches Banausentum findet man tatsächlich oft zu diesen Themen.

Richtig ist natürlich auch, dass Hersteller und Verkäufer von Verstärkern sehr gerne zu Bi-Amping raten. In die gleiche Kerbe schlagen auch die bunten "Fach"blätter. Warum wohl?
Handelt es sich etwa um ein Mysterium wie den Kabelklang, technisch nutzlos, aber kommerziell wichtig? Diese Annahme würde doch zumindest die "Kann nicht sein" ... "Aber ich höre es doch" - Diskussion erkläen :wall:

Was würde ich rein rational erwarten, wenn ich meine beiden Verstärker in einem Bi-Amp Szenario betreibe?

1. Kanaltrennung, bessere Ortung und Bühne. Jede Kiste bekommt nur das Signal für den einen Kanal. Kein Übersprechen im Signalweg.
2. Die Netzteile bedienen nur den einen Kanal. Mehr Reserve, kein Übersprechen in der Versorgung.
3. Rückströme von Tieftönern im Generatorbetrieb verschwinden in der Dämpfung des Verstärkers und stören nicht die Hochtöner.
4. Mehr Kondensatoren, doppelte Kapazitäten, mehr Stromreserven, in der Folge höhere Agilität, bessere Transienten.
5. Mehr Leistung, wobei höhere Lautstärke ist nicht mein Ziel. In lauten Passagen wirkt der einzelne Pio manchmal angestrengt. Vielleicht spielt der an einem Kanal dann doch relaxter, wenn er am unteren Ende seiner Kennlinie betrieben wird?

Ob sich diese Erwartungen erfüllen ... keine Ahnung. Ich bin gespannt.

Mit expectation bias meinerseits rechne ich natürlich auch. Daher habe ich den MalValve Referenzverstärker in der Planung und vielleicht kommt später noch eine weitere Variante als Referenz hinzu. Außerdem habe ich auch kein Problem damit, die beiden Pioneere am Ende des Tages wieder zu verkaufen und mir stattdessen eine dickere Verstärkervariante hinzustellen. Ich würde es halt nur gerne wissen ...
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von Tüftler »

Bei "bi-wiring " über einen Vollverstärker mittels LS A + B macht sich erst ein Unterschied bemerkbar wenn in der Strippe zur Mittel-Hochton Einheit ein zusätzlicher Pegelregler eingebaut wird/ist um eben diese nach Gehör an zu passen ...
ansonsten wären es nur zusätzliche Meter Kabel .
Bi-amping macht eben dieses , nur halt aktiv ... da braucht das Steuergerät halt entsprechende pre-outs und ne 4-Kanal Endstufe .
Übrigens , bei meinem 7.2 AVR gibt es die Einstellung Bi-Wiring wobei Front R/L + Surround back R/L zusammen gelegt werden ... ist aber falsch ausgedrückt da es 4 Endstufen sind die dafür belegt werden , also Bi Amping ! und habe so auch die Möglichkeit die LS-Chassis mit unterschiedlichen Pegeln an zu steuern .
Das macht sich bei "schwierigen" Lautsprechern positiv bemerkbar
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von FuLong »

Ich grabe mal in meinen Erinnerungen zu einer Stereoanlage, die ich so um 2000 rum in einem 22 qm Zimmer betrieben habe.
Verstärker waren von Rotel, Vorstufe RC-995 und zwei RB-971, die ein paar HGP Nightingale angetrieben haben.
Damit konnte ich drei Varianten realisieren, Bi-Amping horizontal + vertikal und Bridged Mono.
Horizontales Bi-Amping war in sofern gut, weil die doch recht kleinen Endstufen (2 x 70 Watt) die HGPs gut im Griff hatten und in dem relativ kleinen Raum echt die Kuh fliegen lassen konnten.
Vertikales Bi-Amping hat dann eine bessere Kanaltrennung und somit bessere Räumlichkeit gebracht, in Sachen Tonalität konnte ich keinen Unterschied feststellen.
Bridged Mono (1 x 180 Watt) hat die Räumlichkeit erhalten, aber mehr Punch rein gebracht, die Konfiguration hat mir damals am besten gefallen und so wurde die Anlage weiter betrieben.

In meiner jetzt noch vorhandenen Surround Anlage, hatte ich mit den vorherigen 7.1 Lautsprechern die recht großen Frontlautsprecher (Canton Ergo 102) per Bi-Amping angetrieben, wobei ich das mit dem aktuellen Yamaha RX-A2070 von Anfang an so aufgesetzt habe, es also nur so kannte.
Mit dem jetzigen Nubert 9.1 Set stellt sich die Frage nicht länger, wobei die Frontlautsprecher eh kleiner wurden, aber für den großen Raum (42 qm, Dachgeschoß) locker ausreichen, da man wegen der Geometrie des Raumes eh nicht optimal aufstellen kann.
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FuLong
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Re: Bi-Wiring und Bi-Amping

Beitrag von FuLong »

Nachtrag zum Thema Bi-Wiring. Wenn ich mir diese windigen Blech-Brücken die üblicherweise verbaut sind anschaue, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass das nicht grad klangförderlich ist. Bei meinen Nubert sind da richtig dicke Dinger verbaut, siehe Foto.
Raus mit dem Blech Zeugs, 4 Quadrat Lautsprecherkabel rein und das Gewissen ist beruhigt 😊
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